Von Jan Hübel

Bearbeitet von Melinda Koch

Ein majestätischer Anblick: Hoch über Baumwipfeln und Dächern thronen die Gipfel der Alpen, gleißend weiß, scheinbar unberührt von Menschenhand. Eine leichte Brise streicht über das Gesicht, der Blick ist auf den Abhang gerichtet. Und dann Bewegung, ein federleichtes Gleiten Richtung Wolkenmeer, nur Fliegen ist schöner. Skifahren zu beschreiben ist, als müsse man ein Picasso-Gemälde erklären oder einen Roman tanzen. Momente grenzenloser Freiheit. Und es ist dieses Gefühl der Freiheit, das Skipioniere von einst und Urlauber von heute verbindet. Doch wem haben wir das Skifahren zu verdanken?  

Der Ski ist älter als das Rad. Einige Experten vermuten, dass Cro-Magnon-Menschen bereits vor 20.000 Jahren lange Holzbretter nutzten, um gefrorene Moore und Feuchtgebiete zu überwinden. Gesichert ist, dass das Volk der Samen im Jahre 8.000 v.Chr. bereits rudimentäre Ski entwickelt hatte. Vor einigen Jahren konnte im Nordwesten Russlands sogar ein Skifragment aus dieser Zeit geborgen werden. Archäologen gehen allerdings davon aus, dass Ski über Jahrtausende auf der ganzen Welt als Fortbewegungsmittel zum Einsatz kamen. Schneeschuhe verhinderten das Einsinken im tiefen Schnee, waren ein günstiges Transportmittel und vereinfachten die (Rentier)jagd. Es gab Tausende Skivarianten; manche bis zu vier Meter lang: Gleitski, Birken-, Eschen- und Kieferski, häufig mit offenen Lederschlaufen als Bindung. 

Abbildung von Malvina Lilieholm

Der nächste Schritt in der Entwicklung des Skis war seine Eingliederung in die Heeresausrüstung. Vorreiter waren erneut die Skandinavier, diesmal die Norweger, bei denen der Schneeschuh am weitesten verbreitet war. Ab den 1780er-Jahren gehörten Skiübungen, die aus rasanten Abfahrten, dem Umkurven von Bäumen und dem Schießen auf Ski bestanden, zur militärischen Grundausbildung. Mit ein wenig Fantasie lassen sich hierin unschwer die Vorläufer der olympischen Disziplinen Abfahrtslauf, Slalom und Biathlon erkennen. Die militärische Verwendung von Ski trug maßgeblich zur Popularisierung des Skisports bei. 1905 gründete sich der Deutsche Skiverband mit dem Ziel, brauchbare Skifahrer für die Armee heranzubilden. Italienische, französische und österreichische Soldaten, die zuvor nie auf die Idee gekommen wären, weite Ebenen zu durchqueren oder sich Hänge hinabzustürzen, lernten nun das „Skifoan“ kennen und schätzen. Die Begeisterung für das Skifahren in der Kriegsführung befeuerte auch die Entwicklung neuer Fahrtechniken. Es war die Zeit der großen Skipioniere. 

Innerhalb von 60 Jahren entwickelten Tüftler und Erfinder die Grundlagen des heutigen Skilaufs. In der idyllischen norwegischen Provinz Telemark entwickelte Sondre Norheim 1868 die weltweit erste Seilzug-Bindung. Seine Konstruktion war ebenso einfach wie genial: Er verband Stiefel und Ski mithilfe einer Weidenrute, was Kurven und Sprünge möglich machte. Bis heute ist die unverkennbare Telemark-Skitechnik mit ihren Ausfallschritten auf der Piste zu sehen. Norheims Erfindung erlaubte irrwitzige Skiexpeditionen. Fridtjof Nanson durchquerte 1888 Grönland auf Ski und verfasste einen Reisebericht, der europaweit zum Bestseller wurde. Junge Nachahmer versuchten verzweifelt, ein norwegisches Paar Ski zu ergattern. Der Fortschrittsgedanke des Zeitalters, der Fabrikschlote rauchen ließ, hatte auch den Blick auf die Natur verändert. Man fürchtete sich nicht mehr vor den Bergen, man wollte sie erklimmen, bezwingen, einnehmen. Und zu diesem Zwecke baute der Lilienfelder Mathias Zdarsky den perfekten Ski. Er kappte die für die Alpen viel zu sperrigen Ski auf 1,80 Meter und versah sie mit der „Lilienfelder“ Fersenbindung. Der Alpinski war geboren. 

Die Arlbergtechnik führte letztlich zum Bruch zwischen den alpinen und nordischen Skidisziplinen. Der weltweit erste Skilehrer Hannes Schneider bündelte in St. Anton am Arlberg das Wissen anderer Pioniere und passte es an das alpine Terrain an. Seine Arlbergtechnik, die in den 1930er-Jahren um den Parallelschwung erweitert wurde, läutete die Ära des Skitourismus ein. Bereits 1907 nahm in Zürs am Arlberg der erste Schlepplift den Betrieb auf, ihm folgten ab den 1930er-Jahren Großraumbahnen, die eigens für Skifahrer errichtet wurden.  

Der Nachkriegsboom in vielen europäischen Staaten erschloss den Skisport für breite Bevölkerungsschichten. Die Anzahl der Skifahrer weltweit stieg von 5 Millionen im Jahr 1950 auf 35 Millionen im Jahr 1975. Die Skiindustrie stellte auf Massenproduktion um, um der rasant wachsenden Nachfrage gerecht zu werden. Ein letztes Mal wurde das Skifahren revolutioniert, als sich ab den 1990er-Jahren extrem taillierte Carvingski auf dem Markt durchsetzten. Die Radien wurden immer enger, Bänderrisse häuften sich jedoch im selben Maße. 

Seit einigen Jahren stößt der Skisport aber an seine Grenzen. Die Zahl der Skifahrer stagniert bei etwa 100 Millionen, was dramatischen Einkommensbußen für die Skiindustrie bedeutet. Die Absatzzahlen für Alpinski sanken von über 8 Millionen (1978) auf 3 Millionen Paar (2010). Auch angesichts des Klimawandels und dem Massensterben von kleinen Skigebieten erscheint die Zukunft des Skifahrens ungewiss. 

Pioniere und Erfinder haben die Geschichte des Skifahrens mit ihren Innovationen geprägt. Kreativität ist gefragt, um das Skifahren in Zeiten von schmelzenden Gletschern und kurzen Wintern nachhaltiger zu machen. Die gesamte Skiindustrie muss sich wandeln, um die Natur, den Kern des Skisports, zu schützen. Es gibt keine Alternative. Wäre es nicht schade, wenn die Geschichte des Skisports mit dieser Generation enden würde? Es ist Zeit zu handeln, damit auch künftige Generationen noch diese unbeschreibliche Freiheit oben auf dem Berg spüren werden können. 

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